Publikationen

Ursula Hammer:

Die Sternspur auf den Sohlen. Gedichte
Hrsg. vom Kulturamt Linz 1981.

Lyrikbeiträge in den
“Facetten, Literarisches Jahrbuch der Stadt Linz”  1979, 1980, 1982, 1983, 1984, 1986.
“Gezeiten – Texte und Bilder oberösterreichischer Autoren” Autorenkreis Linz 1990.

1986 Dissertation über “Schamanisches Heilen als Integration von Psyche, Kollektiv und Mythologie”

Ursula Hammer und Wolfgang Esö: Momente des Seins. Haiku und Bilder. Arte Imago 2017

Wolfang Esö: Die Kunst der Psychotherapie.
In: Psychotherapie und Religion. Herausgegeben von Heinz Laubreuter, Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck, 1998, ISBN: 3-7022-2144-

Die Kunst der Psychotherapie

Zenmeister Ummon unterwies seine Schüler: „Wenn ihr geht, geht. Wenn ihr sitzt, sitzt. Aber schwankt nicht.“

Bei der Betrachtung einer unsagbar schönen Steinskulptur fragten die Betrachter den Künstler: „Meister, wie habt Ihr das gemacht?“ Dieser antwortete: „Ach, das war schon immer im Stein. Ich habe bloß das überflüssige Material entfernt.

„Wir leben am Ende des 2. Jahrtausends, aber auch am Ende des naturwissenschaftlichen Zeitalters, was die Antwort auf die Fragen des Lebens und des Menschseins betrifft. Dies glaube ich, weil ich in meiner Arbeit als Psychotherapeut deutlich sehen kann, wohin uns die Wahn-Sinns-Idee der beliebigen Machbarkeit auch in unserer Seele gebracht hat. Noch nie war die Kluft größer zwischen der Sucht nach beliebigem Handeln und der hilflosen Unfähigkeit, zu sein.

Doch wo die Not am größten ist. da wächst auch Hilfe, Religion und Medizin geben die Antwort auf die Hilflosigkeit der Seele meist, indem sie Licht und Rettung von außen ankündigen. Die Psychotherapie – zumindest so wie ich sie verstehe – negiert diese Möglichkeit nicht, aber sie weiß, dass all dies im Sande verläuft, wenn nicht auch Heilung aus dem Inneren des Menschen selbst erwächst.

Der Begleiter des Menschen, der sich auf die Suche nach dem inneren Heiler in sich selbst gemacht hat, ist der Psychotherapeut. Man kann niemandem Psychotherapie bringen oder schenken, sie ihm aufzwingen oder ihn dazu überreden. Sie ist im wahrsten Sinne freier Wille im Hier und Jetzt.

Psychotherapie ist eine Kunst. Sie ist eine Kunst der Schönheit und ihrem tiefsten Wesen nach eine freie Kunst. Damit ist sie in ihrem eigentlichen Sinn nicht lehr- oder lernbar. Das Ergebnis dieser Kunst, die Selbstsorge für und die Selbstantwort des Klienten auf seine Seele, ist eine Gnade und. kein vorhersehbares und beliebig wiederholbares Produkt. So wie der Künstler kann auch der Therapeut nichts vollbringen, wenn er nicht wartet, ringt, staunt, vertraut, hofft und scheitert. Es gibt Wissen und es gibt Weisheit. Die Weisheit ist das Wissen hinter dem Wissen, und sie ist auch der Mut zum Nichtwissen. Wissen allein nützt wenig in der Psychotherapie, es ist aber das einzig Erlernbare. das einzig Prüf- und Messbare und somit das einzig Machbare. Damit sind wir wieder bei der Einleitung.

Vor den großen Hochkulturen gab es bei den Menschen die Kunst des Schauenden Bewusstseins. Es ist das Schauen der tiefen Wahrheit der Menschen als Bild, noch ohne Namen und Bezeichnung, als Eindruck und sonst nichts, noch ohne sichtbaren Ausdruck durch das Festhalten von Menge und Wert. Die letzten Reste dieses Schauenden Bewusstseins finden sich heute bei den wenigen Stammesgesellschaften und ihren Schamanen. Die Herkunft des Wortes „Schamane“ ist unklar, möglicherweise liegt seine Wurzel im tungusischen Verb ,,ša“ für wissen.

Psychotherapeuten sind mit Sicherheit keine Schamanen, dazu fehlt ihnen auch der kulturelle Hintergrund. Doch der wichtigste Teil ihrer Arbeit, das Schauen auf das Phänomen der einzigartigen Seelenlandschaft ihrer Klienten, das Schauen auf die Kräfte des Lebens und des Sterbens, ist ein Berührungspunkt mit der schamanistischen Tradition. Dabei hilft ein naturwissenschaftlicher Zugang zum Menschen sehr wenig, ja manchmal verstellt er sogar den Blick für Ganzheit und „unvernünftige“ Vernunft. Schon mehr helfen dabei Intuition und Inspiration, im Augenblick entstehende Eingebungen und ver-rückte Einfalle für Interventionen. Die Kräfte des Leidens und des Todes lassen sich nur wenig von vernünftigen Argumenten und gesunden Übungen beeinflussen: schon eher aber kann man sie manchmal überlisten und die Seele durch Verunsicherung von ihrem verstörten Pfad weglocken. Ob Psychotherapie heilt, ist umstritten. Sie heilt nicht im deterministischen Sinn, sondern sie heilt durch die Gnade des Möglichen in jedem einzelnen Fall. Wenn sie jedoch heilt, dann tut sie dies umfassend und tief. Dann wird der ganze Mensch von diesem Heilungsprozess mitgerissen und oft zu einem besseren Schicksal geführt. Der Psychotherapeut ist dabei nicht der Heiler; der Mensch heilt sich selbst, er ist schon heil, so wie die Skulptur bereits im Stein ist, der Therapeut entfernt nur das überflüssige Gestein.

Fähigkeit und Begabung des Psychotherapeuten sind also eher künstlerischer als verstandesmäßiger Natur. Scharfsinniges Denken ist dabei nicht verboten, jedoch nur, wenn man bereit ist, gegebenenfalls sofort auch darauf zu verzichten. Das Kunsthandwerk der Psychotherapie jedoch ohne Inspiration zu betreiben ist gefährlich und wirkt auch nur oberflächlich und von außen betrachtet beeindruckend.

Das heißt, Psychotherapeuten werden nicht ausgebildet, sondern sie werden wie die Schamanen in Nestern im Weltenbaum geboren. Ihr Nest ist ihre eigene Leidensgeschichte, und sie müssen sich zunächst einmal selbst heilen, bevor sie andere dabei begleiten können. Und wie Künstler können sie nichts lernen, ohne es nicht selbst in sich wachsen gesehen zu haben. Mir ist bewusst, dass ich hier gegen den Zeitgeist spreche, doch geht es mir nicht darum, gegen eine herrschende Meinung zu sein. Vielmehr bin ich für die Achtung vor dem Geheimnisvollen der Heilung und für die Demut des Menschen vor dem, was größer ist als er. Und das gilt natürlich in ganz besonderem Maße für die Psychotherapeuten.

Aus dem Rubaijat von Omar dem Zeltmacher:
Nach Regeln der Vernunft zu leben
Ist zwar ein gar vergeblich Streben
Doch Meister Schicksals flinke Hand
Schlägt tüchtig zu und lehrt uns leben.